Capitulation und Transfix

Gründungsurkunden der Neustadt Hanau: "Capitulation" vom 1. Juni 1597 und "Transfix" vom 1. August 1601
Die Gründung der Hanauer Neustadt 1597 war eines der bedeutendsten Ereignisse der Hanauer Stadtgeschichte.
Die rechtliche Grundlagen hierfür bildeten die "Capitulation", einem Vertrag zwischen den Neubürgern, Glaubensflüchtlingen aus den spanisch besetzten Niederlanden und dem heutigen Belgien, und Graf Philipp-Ludwig II. von Hanau-Münzenberg vom 1. Juni 1597 sowie den "Transfix" von 1601.
Die Unterschrift von Graf Philipp-Ludwig II. am 1. Juni 1597 unter die "Capitulation" gilt als Gründungsdatum der Hanauer Neustadt.

Neben der Regelung der kirchlichen Verhältnisse, der Verwaltung der Stadt sowie der Vorschriften für Handel und Festsetzung von Steuern enthält diese auch Bestimmungen, die sich auf den Städtebau beziehen.

Ergänzt wurde die "Capitulation" im Jahr 1601 durch den sogenannten "Transfix". Damit war die Neustadt eine Stadt mit eigener Selbstverwaltung neben der Altstadt Hanau geworden und behielt ihre Selbständigkeit bis ins 19. Jahrhundert. 1833/35 vereinten sich die beiden Städte zur Stadt Hanau.

"Capitulation" und "Transfix" geben für die damalige Zeit sehr weitreichende demokratische Freiheiten.
"Capitulation" vom 1. Juni 1597
Capitulation

Hanauer Capitulation. Originalurkunde vom 1. Juni 1597

Originaltext der Urkunde vom 1. Juni 1597
(ursprünglich datiert auf den 1. Mai 1597)

Zu wissen. Alls ettliche veriagte und verfolgte christen auß den Niederlanden und Franckreich, so sich nhun ein gute zeithero zu Franckfurt am Mayn verhalten, aber weil ihnen ihre kirchen und christliche zusammenkunften undt schulen daselbst nicht lenger haben wöllen gegont und verstattet werden, sondern nunmehr allerdings abgeschafft und verbotten sein, derorts auß mangell ihrer religion und derselben offentlichen exercitii nicht lenger bleyben mögen, derhalben dann bey dem Wolgebornen Graven und Herrn, Herrn Philips Ludwigen, Graven zu Hanaw und Rhieneck, Herrn zu Mintzenberg etc., unßerm gnedigen herrn, dieweill Jhre G. dero kirchen und schulen in derselben graff- und herrschaften vermöge Gottes worts und der prophetischen und apostolischen schriefften Alten und Newen Testaments reformiret, und was noch dorin auß dem pabstumb und sonsten vor abergleubische mißbreuche, sowol in der lehr, als auch den caeremonien, bißdahe sindt uberrentzig verblieben, vollendts abgeschafft, und dargegen den reinen und waren Gottesdinst eingefurt und angestelt, in underthenigkeit haben gebetten und angesucht, sie gleich andern frembden, so alberait alhie zu Hanaw wohnten oder noch hiernechst sich anhero begeben möchten, in Ihrer G. schutz undt schirm uff- undt anzunhmen und nicht allein ihnen zu verstatten undt zuzulaßen, sowol in- als auch ausßerhalb der stadt Hanaw, wie auch sonsten in dießer graffschafft sich heußlich niederzuthun, sondern auch dero offentlichen bekhandtnuß unßer waren christlichen religion sampt derselben reinen caeremonien zu gebrauchen, das demnach Ihre G. auß christlichen mittleyden und das ein jeder christ, auch vermöge Gottes worts undt bevelchs, schuldig ist, sich seiner betrangten mitchristen mit allem trewen fleiß, ernst und eiffer anzunhmen undt ihnen die handt zu bieten, sowol vor sich alß auch dero freundlichen lieben bruder, Grave Albrechten zu Hanaw etc., gnediglich bewilliget, obbemelte frembden uff ihr bittliches ansuchen in dero graff- und herrschaften, und sonderlich alhie zu Hanaw, vor underthanen uff- und anzunehmen, undt sich daruff folgender Capitulation mit ihnen verglichen und vereinbart haben.
Transfix
Transfix

Hanauer Transfix. Originalurkunde vom 1. August 1601

Originaltext der letzten Fassung vom 1. August 1601:

Zu wißen, alls denen ausländischen burgern zu Franckfurt, welche der Walonischen und Flämischen kirchen zugethan, in Anno etc. 1596 nicht allein das freie exercitium der wahren religion ohn einige gegebene erhebliche ursach verboten und niedergelegt worden, sondern auch ire christliche zusammenkunften und schulen daselbst nicht haben lenger wöllen gegönnet und gestattet werden, und alle hofnung zu anderwertiger einreumung einer kirchen und zulasung des niedergelegten exercitij und publici ministerij dero endes gentzlich abgeschnitten und benommen, und sie darauf aus wolbedachten einhelligen raht der versamleten gemeinden sich resolvirt, bei dem wolgebornen graven und herrn, herrn Philips Ludwigen, graven zu Hanaw und Rineck, herrn zu Mintzenbergk etc., in underthenigkeit ire zuflucht zu suchen, daß sie demnach bei S. G. neben uberreichung gewißer befreiungspuncten sie in dero schutz und schirm in deren grave- und herrschafften, und sonderlich alhie zu Hanaw vor underthanen uf- und anzunemmen, underthenig gebeten, und uf den fall inen angedeutete begerte articul und befreiungspuncten gegönnet und gnediglich gestattet werden möchten, sie sich anhero naher Hanaw zu begeben, uff einem platz zur neuen statt zu bauen und dero orts heußlich niederzuschlagen, solten verpflichtet gehalten seyn, sich darneben erbotten, und S. G. darauf wegen ietzgemelter articul, vermög einer beiderseits getroffenen und ufgerichten capitulation sich mit inen abgefunden und verglichen, auch etliche aus deren mittel zufolg obangeregter zudas sich anhero begeben und heußliche wohnungen zugerichtet haben.

Nachdem aber ermelte Flamische und Walonische ausländer und nuhmer burger und inwoner der Neuen Statt Hanaw etc. furters gespüret, wasmaßen gegen eingestandene verhinderungen und vieler ubelgesinneter einstreuens dießes werk gewachsen und, dam Allmechtigen sey dank, an volk und gebeuen noch täglich also zunimmet, daß ein großer segen des Allmechtigen zu fortpflantzung seiner kirchen zu hoffen, und hierumb als gehorsame und getreue underthanen christlich zu gemüt gezogen, daß sowol zu hägung, handhabung und beforderung guter policei und erbarn, christlichen, Gott wolgefelligen wandels, als auch zu mehrerem uffkommen und bestendigkeit dießer Neuen Statt, gebürliche regimentsverfaßung und anordnung nötig seyn wölle und demnach bei wolgedachtem grave Philips Ludwigen zu Hanaw etc., als ihrer ordentlichen obrigkeit, in underthenigkeit angesucht, daß S. G. inen einen besonderen rhatt und zu gemeiner statt vorstandt etwas mittell an renten und einkommen zu bewilligen gnediglich geruhen wolte, und dann S. G. dießes suchen zu aller Gottselig-, erbar und billichkeitt auch zu beforderung ehrlicher commertien, und insgemein zu dero Neuen Statt bestem gerichtet vermerket, so haben S. G. sich gnediglich ercleret, daß sie zu verhoffter alter und neuer Statt burgerlicher einigkeit, gutem verstande und gleichmeßigem, billichem, schuldigem gehorsam, beiden, alter und neuer Statt, einem qualificirten diener, welcher S. G. stat zu repraesentiren hab, zu einem gemeinen schultheißen mit gewißer instruction und bevelch verordnen, und darneben aus deren in der Neustatt geseßener burger und beisaßen mittel einen besonderen raht, uf gewiße beschriebene, gedachtem gemeinem schulteysen zugestelte form, wie es biß uf fernere verordnung solle gehalten werden, erwehlen und ansetzen wolten; inmaßen sie auch darauf etliche burgermeister und rahtspersonen erwehlet und verordnet, und dieße anstellung nehistes tags der burgerschafft wißent zu machen und fernere gebür zu verfuegen entschloßen seynt.

Vors ander, die anordnung gewißer inkommen zu gemeinen vorstandt belangendt, haben S. G. sich dabei gnedig erinnert, was dero vermög angeregter capitulation zu verrichten obliege, welches durch einen rathe, vermittelst gewißer verordneter bauherrn ufsicht und solicitation viel schleuniger dann durch der herrschafft diener verwaltung, bei denen anderer furfallender geschäfft halben an gebürender volnziehung merkliche hinderung verspüret wirt, volnführet werden möchte, und demnach ein gnediges vertrawen gefaßet, es werde ehrngemelter raht zu mehrer beforderung des gemeinen bestens dieße muhe der herrschafft abzunehmen, und mit deroselben, dero rähte oder schultheißen vorwißen und beliebung zu angedeuteter obliegender verrichtung eine summe gelts, als nemlichen drey jar lang die helft der Neuen Statt inkommens, und solche zeit uber jarlich funfzehenhundert gulden aus der herrschafft cammer durch gewiße verordnete bauherrn treulich anwenden zu laßen, und fürters in gutem wesen zu erhalten unbeschweret und damit zufrieden seyn; mit solcher maß, daß nach verfließung bestimmeter dreier jahren die angezogene helft des inkommens nochmals uf gewiße jahr zu notwendiger befriedigung gelaßen werden, aber die funfzehenhundert gulden fallen und schwinden mögen, und darauf sich gnedigich erboten, daß dagegen die andere helft der Neuen Statt einkommens zu deroselben statt - aerario, dahero – negst dem vornembsten und notigsten werk der befridigung – zu furstehenden innerlichen beuen, auch erhaltung weg und stege und anderen ziemelichen publicis oneribus verlag, nachtruck und mittel zu nehmen, bestendiglich gefolget, und solcher inkommen halben einer oder mehr gemeine innehmer, welche der herrschafft und der statt verpflichtet, verordnet, und von demselben, beiden teilen zu gutem, richtige jahr-rechnungen gehalten werden solten.

Dieweil auch der gemeinen Reichs- oder Turken-contribution dießes orts meldung beschehen, und solchs und dergleichen zwar, vermög ieder obrigkeit im gantzen H. Romischen Reich herbrachten regal, niemand anders als der obrigkeit, und also auch mehr wolermeltem herrn graven Philips Ludwigen zu Hanaw etc. in crafft getroffener capitulation zustendig ist, als hat jedoch S. G. mit gemelter Neuen Stat rath, und mit S. G. derselbe raht sich derohalben nachfolgender gestalt abgefunden und verglichen, daß nicht allein gemelter Newen Statt burger, beysaßen und zugehörige inwhoner, damit sie in anlagen eine richtigkeit haben und dernwegen inskunftig uf zutragend fälle verschonet werden, jährlich und immer bestendiglich, welche ir vermögen anzeigen wollen, pro cento bei funf batzen, die aber ir vermögen nich anmelden wolten, järlich, so lang dem Allmechtigen gefallen wirt, S. G. leben zu gefristen, bei erlegung funfzehen gulden; aber auch S. G. todtlichen abgang furbaß jährlich bei zwantzig gulden gelaßen, und aus S. G. zu dero Neuen Statt bestem und ufnehmen besonderer gnediger wolmeinung wie an anderen inkommen, also auch an dießer beharrlichen contribution die helft der Statt aerario solle gegönnet und gestattet werden.

Deßen zu urkundt und fester haltung fürgesetzter beiderseits angenommener erclerungen, erbieten und bewilligungen diese vergleichung umb gleichen behalts und kunftiger nachrichtung willen gleiches inhalts zwifach abgeschrieben und eine von wolermeltem graven und herrn, herrn Philips Ludwigen, Graven zu Hanaw etc.,vor sich, S. G. erben und nachkommen underschrieben, mit dero gravelichen secret confirmirt und dem raht der Neuen Statt ubergeben, und die andere von beiden der Neuen Statt durch S. G. erwehlete erste burgermeister und rhatspersohnen vor sich selbst und in nahmen der gantzen burgerschafft gemelter Neuen Statt mit eigenen handen underzeichnet und mit der Neuen Statt bewilligtem stattsiegell bekrefftiget und der herrschafft cantzlei eingeliefert worden.

Welche subscription und sieglung wir, die contrahenten, alß obstehet, zu besorgung und bekrefftigung alles furgesetzten inhalts gethan haben bekennen. So geschehen und allerseits entlich geschloßen und bewilliget zu Hanaw den ersten Augusti nach Christi unsers erlößers und seligmachers geburdt im Jahr sechtzehenhundertund-eins.

Hanauer Transfix. Originalurkunde vom 1. August 1601. Ausfertigung für die Neustadt. Unterschrift des Grafen: P. L. grave z Hanau. Daneben die nachträglich beigesetzten Unterschriften von 11 Ratsherren der Neustadt.

Weitere Informationen zur Gründung der Hanauer Neustadt sind zu finden in:

Auswirkungen einer Stadtgründung
Hanau 1997
ISBN 3-928100-51-3